Erinnerungen an Wilhelm Pfeiffer

Wer in Nordhessen noch “pladde schwatzen” oder zumindest verstehen kann, dem sagt der Name Wilhelm Pfeiffer etwas. Der gebürtige Körler, Jahrgang 1904, ist als  Heimatdichter über die Grenzen seines Heimatdorfes bekannt und hat durch seine Werke zur Verbreitung und zum Erhalt der Mundart einen besonderen Beitrag geleistet.  Auf den 22. Dezember 2018 fällt der 25. Todestag des Mannes, der trotz Blindheit vieles im Leben mit Humor nahm. Im Alter von sechs Jahren verlor Wilhelm Pfeiffer an den Folgen einer Masernerkrankung sein Augenlicht. Dieses Schicksal nahm er später dankbar an und schrieb sogar ein Gedicht mit dem Titel “Blindsein wurde mir zum Segen”. Bis zu dieser späten Erkenntnis lag allerdings ein langer Weg vor ihm:  Im Kindesalter wurde er zur Blindenschule nach Frankfurt geschickt. Die ungewohnte Umgebung einer Großstadt und Heimweh plagten den achtjährigen Junge damals sehr. Als junger Mann kehrte er nach Körle zurück, hier sollte er mit Korb- und Stuhlflechten bzw. als Bürstenmacher sein Einkommen bestreiten. Zu dieser Zeit herrschte durch die Inflation jedoch große wirtschaftliche Not in Deutschland, der Start in eine selbständige Tätigkeit war für einen blinden Menschen also besonders schwer. Auch fehlten nach der jahrelangen Schulzeit in Frankfurt die Kontakte ins Dorf, besonders zu Gleichaltrigen, die ganz andere Interessen hatten als ihn in seiner kleinen Werkstatt zu besuchen. Dies war für ihn eine bedrückende Zeit, über die er später nicht gern sprach, weiß Ortschronist Heinz Rüdiger zu berichten. Durch eine technische Neuerung wendete sich aber bald das Blatt: Als einer der ersten Einwohner erhielt der blinde Wilhelm Pfeiffer ein einfaches Detektorradio. Damals eine kleine Sensation auf dem Dorf, die viele Menschen neugierig machte und dem damals 21-Jährigen häufigen Besuch bescherte. So entstanden Kontakte und Freundschaften zur Bevölkerung, die ihm auch die Neuigkeiten auf dem Dorf übermittelte. Zu dieser Zeit verfasste er seine ersten Gedichte, die zunächst bei Familienfeiern, später aber auch zu größeren öffentlichen Anlässen vorgetragen wurden und sich häufig -mit feinem Witz oder etwas derber- mit den Geschichten aus und um Körle befassten. Im Jahr 1963 wurde Wilhelm Pfeiffer zum Ehrenbürger der Gemeinde Körle ernannt. 1993 starb Wilhelm Pfeiffer im Alter von 89 Jahren in Körle. Sein Nachlass bildete den Grundstock für die Wihelm-Pfeiffer-Stiftung, aus der jährlich Zuschüsse für Vereine gewährt werden. Im Laufe der Jahrzehnte entstanden unzählige Gedichte, von denen eine Auswahl im Buch “Da lacht der Körlsche Esel” zu seinem 100. Geburtstag im Jahr 2004 posthum veröffentlicht wurde. Heute heißt die Straße, in dem Pfeiffers Geburtshaus steht, Wilhelm-Pfeiffer-Weg. Seine Gedichte wurden in drei Bänden veröffentlicht. Der Gedichtband “Da lacht der Körlsche Esel” ist bei der Gemeindeverwaltung, bei der Dorfbäckerei Schade oder im Gasthaus zur Krone zum Preis von 7,- € erhältlich.

Die ausführliche Beschreibung seiner Lebensgeschichte finden Sie (pdf):
Das Leben von Wilhelm Pfeiffer

Eines seiner Gedichte in Körler Mundart erzählt vom Besuch eines Großvaters mit seinem Enkel bei der Messe (Rummel) in Kassel. Dort kauft der Opa ein Lebkuchenherz als  Geschenk für die zu Hause gebliebene Oma und hängt es auf dem Heimweg dem kleinen Georg um den Hals. Als dieser aber austreten muss, bleibt das Geschenk für die Oma nicht unbeschadet ….

Dos Honnich-Kuchen Herze

Där Großvoter Selze, gebirtig von Besse,
där wor met si`m Enkel in Kassel off där Messe
Där Großvoter wor met däm Schenken net füll,
hä kief ämme Schießer, enn Wöhn un enn Güll1).

Dos Schorschchen wunk lostich met sinnen Geschenken:
„Nu wunn`me öh ohn inse Großmotter denken!“
„Där köf ech wos Feines“, sprock Großvoter Selze,
„en Honnichkuchen-Herze – jo,jo, sesten brelld2) se!

En Honnichkuchen-Herze, dos säll se glich honn!
Dos esst se woll liwwer wie Gärschde un Bonn3)!“
Glich kief hä so`n Dengen – hä druckste net als
un hing`s met`em Fooren4) däm Schorschchen em`n Hals.

Där Jonge gock stolz off dos Honnichkuchen-Herze,
dos bambelte so lostich höbsch vär sinner Scherze5).
Biem Heemgenn6) rief`s Schorschchen: Ech muss schnäll emol!“
Där Großvoter meente: „Löf do bie dän Pohl!“

Will`s Berschchen gedronken so välerlä Säfte,
wor`sch glich öh gänz eifrech bie sinnem Geschäfte.
Där Großvoter rief nu: Heer off met däm Spaß!
Du machest dos Honnichkuchen-Herze jo nass!!!“

„Jetz ärres zu speere“ –  dos Schorschchen sprock leese!
„Spräch nex vär minn Motter, sonst werd`se noch beese!
Ess ess öh kenn Schoren7), dos kleen beßchen Nasse;
minn` Großmotter ducket`s jo doch in de Tasse!“

1) Wagen und Gaul;   2) brüllt (weint) sie;   3) Gerste und Bohnen;   4) Faden;   5) Schürze;   6) Heimgehen;   7) Schaden