Viele Interessierte kamen zu Kaffeetreff in die Gemeinschaftsunterkunft
Seit einem halben Jahr gibt es am Sportplatz in Körle eine Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen in Form von Wohncontainern. Mit Betreibern, Betreuern und Bewohnern wurde deshalb jetzt bei einem gemütlichen Kaffeetrinken im Gemeinschaftsraum der Unterkunft Bilanz gezogen. Gekommen waren rund 25 Gäste, darunter auch Interessierte aus Frielendorf. Denn dort wird ebenfalls eine solche Unterkunft vom Schwalm-Eder-Kreis eingerichtet. Auch etwa 15 Bewohner nutzten die Gelegenheit, und waren beim Treffen gern mit dabei. Sie kommen beispielsweise aus Somalia, Afghanistan und der Türkei. Mit mehr als 50 Bewohnern ist die Unterkunft derzeit voll belegt. Im Mai dieses Jahres kamen die ersten Geflüchteten in die Unterkunft nach Körle, berichtete Betreiber Maximilan Vogelsberg. Aus den anfänglich zehn Bewohnern wurden binnen weniger Wochen schnell deutlich mehr – Ende Juni bewohnten bereits 35 junge Männer die Unterkunft, seit August ist die Kapazität erreicht.
Wichtige Ansprechpartner für die Bewohner sind Lutz Erbeck und Mohammed Fakeer. Letzterer war 2015 selbst aus Syrien nach Deutschland geflohen – “hat also diesen ganzen Prozess auch schon mal mitgemacht”, berichtete Lutz Erbeck. Daher sei er ein wichtiger Ansprechpartner für die Bewohner – auch der Sprache wegen. Denn 70 Prozent der Bewohner sprechen Arabisch. Aber auch Erbeck könne sich mit den Bewohnern verständigen – “wenn auch manchmal mit Händen und Füßen. Aber irgendwie geht es dann doch immer”. Außerdem würden einige der Bewohner mittlerweile gut Deutsch verstehen – dank Brigitte Gabel. Die Körlerin hat in den vergangenen Wochen über die Volkshochschule einen Deutschkurs in der GU gegeben. Auch wenn von den anfänglich 23 Sprachschülern nur ein Teil bis zum Ende durchgehalten hat, ist sie stolz auf ihre Schützlinge. Um das Gelernte auch im wahren Leben anzuwenden, war Brigitte Gabel mit den Teilnehmern beispielsweise zweimal auf dem Wochenmarkt. Dort interviewten die Asylbewerber Kunden und Marktbeschicker. Auch Bürgermeister Mario Gerhold wurde bei seinen Besuchen in der Unterkunft interviewt. Zwei von den jungen Männern trauten sich dank des Kurses sogar, ein paar Worte auf Deutsch an die Gäste beim Kaffeetreff im Gemeinschaftsraum zu richten. So berichtete Ayoub, dass er in Deutschland gerne wieder bei der Polizei arbeiten würde. Bis zu seiner Flucht aus Afghanistan war er dort nämlich zehn Jahre als Polizist beschäftigt. Auch Zohor, ebenfalls ein Afghane, zeigte mit ein paar Sätzen auf Deutsch, was er in der kurzen Zeit gelernt hatte. Bis zu seiner Flucht hatte er IT studiert, “und ich würde in Deutschland gerne weiterstudieren”, sagte er. Damit die Bewohner auch selbstständig Deutsch lernen können, müsse aber die Internetverbindung in der Unterkunft verbessert werden, sagte Brigitte Gabel. Denn die Sprachapps verbrauchten ein gewisses Datenvolumen und das reiche häufig nicht aus.
Einige der Bewohner würden auch Integrationskurse in Kassel besuchen, sagte Brigitte Gabel. Bei dem 900-stündigen Kurs lernen die Asylbewerber nicht nur die Sprache, sondern auch Wichtiges zu Kultur und Politik. Brigitte Gabels Anfänger-Kurs läuft jetzt Mitte November aus. Damit der Kurs bestehen bleibt, müssen nun genügend Teilnehmer gefunden werden.
Bürgermeister Mario Gerhold erinnerte an die großen Sorgen, die bei einer Info-Veranstaltung im Gasthaus Zur Krone von Einwohnern vorgetragen worden waren, als bekannt wurde, dass eine Flüchtlingsunterkunft am Sportplatz errichtet werden würde. Insgesamt könne man nun aber sagen, dass die Ängste unbegründet gewesen seien. Das bestätige auch Marcus Lerch, Schutzmann vor Ort in Körle. “Insgesamt sei alles im grünen Bereich.” Vorfälle, zu denen die Polizei ausrückte, waren ein Gerangel der Bewohner untereinander sowie ein Diebstahl im Netto. Ansonsten handele es sich nur um Kleinigkeiten, sagte Mario Gerhold. Auch die Bedenken, der Fußballplatz könne durch Randale Schaden nehmen, konnten ausgeräumt werden. “Es gibt nur kleine Vorkommnisse”, sagte Cornelia Kraushaar vom FC Vorstand. “Aber das sind Sachen, die bei allen Jugendlichen vorkommen würden.”
Die nächste große Aufgabe sei jetzt, die Bewohner durch Arbeit zu integrieren, sagte Mario Gerhold. Bei Arbeitseinsätzen vom gemeindlichen Bauhof hatten mehrere der jungen Männer bereits mit angepackt. Beispielsweise hatten sie am Bahnhof Müll eingesammelt oder am Friedhof den Zaun gestrichen. Nach 30 Stunden geleisteter gemeinnütziger Arbeit bekommen die Teilnehmer ein Zeugnis der Gemeinde – “vielleicht ist das später noch mal hilfreich”, sagt Gerhold. Diejenigen, die drei Monate in Deutschland sind, haben auch die Möglichkeit, hier eine feste Arbeitsstelle zu bekommen. “Da müssen wir sehen, dass wir Brücken bauen”, sagte der Bürgermeister. Durch Praktika bei ortsansässigen Betrieben beispielsweise.
Der Winter werde jetzt noch mal eine Herausforderung. Zu viert den ganzen Tag im engen Container zu verbringen, berge Konfliktpotential. Außerdem würden die Wintertage ohne Beschäftigungsmöglichkeit zur Ewigkeit. “Deshalb wäre es gut, wenn es vielleicht ein oder zweimal die Woche in der Berglandhalle eine Sportmöglichkeit geben würde”, sagte Mario Gerhold. Auch sei angedacht, ein größeres offenes Zelt aufzubauen, in dem sich die Bewohner dann zusätzlich aufhalten könnten.
Bei Kaffee und Kuchen, den die Bewohner fleißig an die Gäste verteilten, gab es anschließend noch Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. Ein Angebot, das sowohl Bewohner als auch Gäste gern annahmen. Und für Bürgermeister Mario Gerhold gab’s auch noch ein kleines Geschenk. Auf einem Blatt Papier hatten die Bewohner unter einem Bild des Bürgermeisters unterschrieben und bedankten sich darauf mit den Worten: “Du bist ein guter Bürgermeister und immer für uns da.”