Videountersuchung am Wilhelm-Pfeiffer-Brunnen

Was Millionen Menschen auf der Welt große Sorgen und Mühen bereitet, ist in Europa eine weitverbreitete Selbstverständlichkeit: Morgens den Wasserhahn aufdrehen, schon sprudelt das frische Nass in unbegrenzter Menge aus der Leitung. Doch das war natürlich nicht immer so, wie der nachfolgend abgedruckte Text von Heinz Rüdiger in Erinnerung ruft.

Heute sorgen der Eckertsbergbrunnen und der Wilhelm-Pfeiffer-Brunnen in unserer Gemeinde dafür, dass jährlich ca. 120.000 cbm Trinkwasser in die Gebäude geliefert werden können, soviel wird von den 3.000 Einwohnern sowie den gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben verbraucht. Das öffentliche Leitungsnetz hat in unserer Gemeinde eine Länge von ca. 34 km, hinzu kommen rund 1.400 Hausanschlussleitungen.

Auf dem Foto ist der Beginn der Tiefenbohrung für den Wilhelm-Pfeiffer-Brunnen am 01.09.1975 zu sehen

Auf dem Foto ist der Beginn der Tiefenbohrung für den Wilhelm-Pfeiffer-Brunnen am 01.09.1975 zu sehen

Der Eckertsbergbrunnen und der Wilhelm-Pfeiffer-Brunnen sind so genannte Tiefenbrunnen. Ungefähr 60 % der geförderten Wassermenge stammt aus dem Eckertsbergbrunnen, der sich im Wald in der Nähe des “Försterteichs” befindet, die anderen 40 % aus dem Wihelm-Pfeiffer-Brunnen im Mülmischtal beim Waldkindergarten. Aus ca. 70 m Tiefe wird Grundwasser über eine Steigleitung gepumpt und bis zur Wasseraufbereitungsanlage jenseits des Schnellbahnhofs gefördert. Bevor das Wasser jedoch an die Hochbehälter weitergeleitet wird, erfolgt eine Vermischung des Wassers aus Eckertsberg- und Wilhelm-Pfeiffer-Brunnen in der Aufbereitungsanlage.In einer Riesleranlage wird das Wasser belüftet. Die Belüftung dient der Oxidation von Eisen und Mangan, d.h. die chemische Umwandlung von der gelösten in die filtrierbare Form. Nach der Belüftung passiert das Wasser zwei Filterbehälter. Hier wird Eisenhydroxid und Manganoxid aus der Belüftung zurückgehalten. Die Belüftung und Filtrierung bewirkt auch eine Entsäuerung des Wassers, d.h. im Wasser gelöste Kohlensäure wird ausgetragen (Entsäuerung) und Sauerstoff aus der Luft im Wasser gelöst (Belüftung).

Am Wilhelm-Pfeiffer-Brunnen ging Ende Februar ein großer Autokran in Stellung. Dieser zog die rd. 70 m lange Förderleitung aus dem Filterrohr, weil die am unteren Ende montierte Pumpe defekt war. Bevor diese gewechselt und das Edelstahlrohr (80 mm Innendurchmesser) wieder eingebaut wurde, nutzte die Gemeinde Körle die Gelegenheit, den Brunnen mit einer Unterwasserkamera befahren zu lassen. Hierbei wurde der Zustand des kunststoffbeschichteten Stahlrohres (Durchmesser 300 mm) und der Filterschlitze inspiziert. Durch eine vorgelagerte Kiesschicht und diese Filterschlitze gelangt das Grundwasser in die Brunnenfassung. Festgestellt wurde ein allgemein guter Zustand des Tiefbrunnens. Erfreulich war für Bürgermeister Mario Gerhold und Bauamtsleiter Joachim Gerlach, dass Brunnen noch den gleich Wasserstand aufwies wie in den Genehmigungsunterlagen aus 1976, das bedeutet, trotz der sehr trockenen Sommer 2018 und 2019 fließt ausreichend Grundwasser nach. Die Arbeiten inkl. Erneuerung der Pumpe kosten ca. 15.000 € und sind über die Gebühreneinnahmen gedeckt.

Der Autokran zieht die Edelstahl-Steigleitung auf dem Tiefbrunnen

Der Autokran zieht die Edelstahl-Steigleitung aus dem Tiefbrunnen

Diese Unterwasserkamera hat einen schwenkbaren Kopf, so dass die Wände des Filterrohres gut inspiziert werden können

Diese Unterwasserkamera hat einen schwenkbaren Kopf, so dass die Wände des Filterrohres gut inspiziert werden können

In dem Spezialfahrzeug der Brunnenbau-Firma werden die Kameraaufnahmen ausgewertet

In dem Spezialfahrzeug der Brunnenbau-Firma werden die Kameraaufnahmen ausgewertet

Der Wilhelm-Pfeiffer-Brunnen trägt übrigens den Name des Körler Heimatdichters und Ehrenbürgers, weil er das für den Brunnenbau benötigte Grundstück seinerzeit der Gemeinde Körle geschenkt hat.

Die Geschichte der Körler Wasserversorgung

von Heinz Rüdiger (1929-2019), verfasst zum 100-jährigen Bestehen der Wasserversorgung Körle in 2006

Trinkwasser aus dem Bach

Über eine lange Zeit hat die „Trockene Mülmisch“ die Einwohner unseres Dorfes mit dem notwendigen Wasser versorgt. Einige Brunnen gab es auf den größeren Bauernhöfen, so zum Beispiel auf dem Hof Wenzel, dem heutigen Körler Rathaus. Auch das Gasthaus „Zur Krone“ hatte einen Trinkwasserbrunnen. Die meisten Dorfbewohner holten sich jedoch ihr Wasser zum Trinken, zum Kochen und zum Waschen aus dem Bach. Sobald man das Vieh nicht zur Tränke treiben konnte, musste man auch für die Tiere Bachwasser holen.

Im Jahre 1870 befasste sich der Gemeinderat mit dem Bau eines Brunnens für die Schule. Die Vorlage lautete: „Mehrfach ist es als notwendig hervorgehoben worden, dass sowohl zur Befriedigung des Bedürfnisses des Lehrers an reinem Wasser zum häuslichen Gebrauch, wie auch zum Trinken für die Kinder, in der Nähe des Schulhauses einen neuen Brunnen anzulegen. So ist mir vom Königlichen Landratsamt die Aufgabe zugegangen, die Gemeindebehörden hierüber zu vermahnen. Um Bitte um Beschluss. Bürgermeister Zülch.“

Der Gemeindeausschuss lehnte damals den Bau ab. Allerdings zahlte die Gemeinde schon seit 1873 an Heinrich Metz 2 Taler jährlich für die Mitbenutzung seines Brunnens durch den Lehrer. Als im Jahre 1888 eine neue Schule gebaut wurde, es handelt sich um das Gebäude in dem sich heute die Apotheke „Alte Schule“ befindet, hat man dann einen Brunnen angelegt.

Es ist einleuchtend, dass die Sauberhaltung des Bachlaufes oberstes Gebot war, und dass Verstöße gegen dieses Prinzip unnachsichtig geahndet wurden. Wir stellen uns heute vor, dass Gänse und Enten zu jenen Zeiten ihrer Natur gemäß in und an den Bächen ihren Aufenthalt hatten. Dem war aber nicht so, wie folgende Bekanntmachung aus dem Jahre 1885 besagt: „Durch Polizeiverordnung vom 26. Juni d.J., mit demselben Tage bekannt gemacht, dürfen keine Gänse von dem Austrieb des Hirten und eine ½ Stunde nach dem Eintrieb sich auf dem hiesigen Bache aufhalten und das Wasser verunreinigen. Enten haben gar kein Recht und dürfen durchaus den Bach nicht betreten. Körle, am 26. Juni 1885, der Bürgermeister Zülch.“

Ob nun Jauche in den Bach lief, gar das Nachtgeschirr im Bach gereinigt wurde oder gegen die zitierte Polizeiverordnung verstoßen wurde, es hagelte empfindliche Strafen. Ein Vorfall mag als Beweis reichen. Im Jahre 1906 musste ein Kleinbauer, „weil seine Gänse im Dorf frei herum liefen“, eine Mark Strafe bezahlen. Das war nicht wenig. So zahlte die Gemeinde damals, wenn sie Arbeiten vergab, einen Stundenlohn von 25 Pfennigen. Die Strafe entsprach demnach dem Lohn von vier Arbeitsstunden.

Das Dorf erhält eine Wasserleitung

War die Wasserversorgung für die Anlieger des Baches schon problematisch, so war sie für die Bewohner der weiter entfernt liegenden Häuser äußerst schwierig. Um die Jahrhundertwende gab es zudem eine vermehrte Nachfrage nach Bauplätzen. Diese lagen überwiegend in der Gemarkung „Am Busch“, also weit vom Bach entfernt. Bürgermeister Arend hielt den Bau einer Wasserleitung für dringend notwendig. Wegen der hohen finanziellen Belastung konnten sich viele Einwohner anfangs jedoch nicht mit dem Gedanken anfreunden. Die Forderung der Kreisverwaltung, im Dorf Feuerlöschteiche anzulegen oder eine Wasserleitung zu bauen, gab schließlich den Ausschlag für die Initiative des Bürgermeisters.

Im August 1903 unternahmen die Gemeindeverordneten einen Erkundungsgang in die Bachwiesen.

Das Quellgebiet war leicht gefunden, es lag dort, wo heute die Schnellbahn das Tal überquert. Der alte Gemarkungsname Bonnrod (Bornrod) wies schon auf die Quellen hin. Für je 500 Mark konnte die Gemeindeverwaltung das Quellgebiet von Konrad Opfermann und der Witwe des Georg Jacob II. ankaufen. Nach einer Probebohrung ergab die Quellschüttung im September 1903 in fünf Sek. 12 Liter. Eine Untersuchung der Wasserqualität in Marburg bestätigte die Brauchbarkeit der Quellen. Im Februar 1904 ließ man zur Sicherheit untersuchen, ob das erforderliche Gefälle von den Quellen zum möglichen Standort eines Hochbehälters vorhanden ist. Dieser sollte im Dorf auf dem Eckgrundstück Bergstraße/ Zum Rot erstellt werden.

Zwei Kasseler Firmen hatten sich mittlerweile interessiert gezeigt, die Leitungen zu verlegen. Es handelte sich um eine Firma Kleinert und die Firma Brandt in der Spohrstraße. Der Gemeinderat und die Gemeindeverordneten entschieden sich im Mai 1904 wie es heißt, „die Firma Brandt zu Rate zu ziehen“. Im Juni 1904 ließ man noch einmal eine Wasserprobe untersuchen; diesmal in Kassel. Die Firma Brandt hatte dazu geraten, „weil Cassel gründlicher sei, besonders wegen der Beimengungen“. Im Juli des gleichen Jahres gab man dem Kasseler Unternehmen den Auftrag, die notwendigen Vorarbeiten zu leisten und einen Kostenvoranschlag für das gesamte Projekt einzureichen. Die für die Wasserleitung vorgesehenen Hydranten sollten den Brandschutz im Dorf wesentlich verbessern.

Die endgültige Entscheidungsfindung zog sich nun über einen längeren Zeitraum hin. Im Juni 1905 wurden der Bürgermeister und der Gemeindeverordnete Konrad Dippel vom Gemeinderat beauftragt, die von der Firma Brandt gebaute Wasserleitung in Spangenberg zu besichtigen. Schließlich kam man im Oktober 1905 überein, dass Brandt die Wasserleitung bauen solle, allerdings müsse das Unternehmen die zu kurz bemessene Garantiezeit verlängern. Als Brandt dann die Garantie auf fünf Jahre „mit Ausnahme der natürlichen Abnutzung“ ausdehnte, stand dem Baubeginn nichts mehr im Weg. Der Auftrag wurde am 11.11.1905 erteilt. Die Arbeiten begannen schon im gleichen Monat. Die Firma Brandt lieferte alle erforderlichen Materialien, baute die Quellfassung, verlegte die Leitung bis zum Hochbehälter, erstellte den Hochbehälter und das Rohrnetz in der Ortslage und schließlich auch alle Hausanschlüsse.

Erschwert waren die Erdarbeiten, weil häufig große Sandsteinblöcke von Hand nicht zerkleinert werden konnten. Man musste die Steine sprengen. Durch diese Sprengungen von, wie es in der Abrechnung heißt „269 cbm, geschlossener Felsen“ entstanden der Gemeinde Mehrkosten in Höhe von 1.139 Mark. Die Arbeiten gingen trotz der Erschwernisse gut voran. Obwohl man damals noch keine Bagger für das Ausheben der Gräben zur Verfügung hatte. Schon am 9. April 1906, also knapp fünf Monate nach der Auftragserteilung, lautete ein Tagesordnungspunkt der Gemeindeverordnetenversammlung:

„Bewilligung von Freibier für die Arbeiter der, außer dem Hochbehälter, fertig gestellten Wasserleitung.“ Der Antrag wurde abgelehnt, ohne Angabe von Gründen.

Niedrige Lohnkosten

Die damaligen Lohnkosten waren aus heutiger Sicht sehr gering. Die Arbeiterstunde wurde mit 40 Pfennig berechnet. Für den Brunnenbauer und den Techniker musste die Gemeinde 70 Pfennig je Stunde zahlen.

Insgesamt wurde der Gemeinde in Rechnung gestellt:

a) Für die Quellfassung und Anlage eines Sammelbehälters 5.569,55 Mark
b) Leitung vom Sammelbrunnen zum Hochbehälter 7.945,61 Mark
c) Hochbehälter 6.306,59 Mark
d) Rohrnetz in der Ortslage 18.428,86 Mark
e) Hausanschlüsse 7.195,29 Mark
f) Verschiedenes (Z.B. die Sprengung) 1.526,99 Mark
g) Für die Lieferung von Feuerlöschgeräten 777,00 Mark

Auf die Positionen b) bis g) hat die Firma Brandt einen Rabatt von 2% gewährt. Zur Finanzierung der Wasserleitung nahm die Gemeinde einen Kredit von 45.000 Mark bei der Landeskreditkasse auf.

Wasser aus der Leitung kostet Geld

Mit dem Bau einer modernen Wasserversorgungsanlage waren damals durchaus nicht alle Dorfbewohner einverstanden. Aus dem eigenen Brunnen und dem Bach konnte man das Wasser kostenlos beziehen. Leitungswasser kostet Geld. Ein „Bürgerverein“, wir würden heute sagen. eine Bürgerinitiative, forderte schon gleich nachdem die Firma Brandt mit der Erschließung der Quellen begonnen hatte, die Quellfassungen fertig zu stellen und danach alle weiteren Arbeiten einzustellen. Der Bürgermeister berichtete von einem „vorwurfsvollen Schreiben“, das uns heute leider nicht mehr vorliegt. Die Gemeindebehörden befassten sich daraufhin ernsthaft mit dem Gedanken, der Forderung nachzukommen. Ein Rücktritt vom Vertrag wäre der Gemeinde jedoch viel zu teuer gekommen.

Die Gebühr für die Wasserlieferung, die Wassersteuer, wie man damals sagte, wurde nach einem Schema berechnet, das im Prinzip bis zur

Einführung der Wasseruhren beibehalten worden ist. Ein Beispiel aus dem Jahre 1906:

„Hebeliste über die Wassersteuer vom Jahre 1906. Erforderlich sind:

1. Die gezahlten Landeskreditkassenzinsen Juli 1906 168,44 Mk.
2. Am 2.10. 07 fällige Zinsen und Abtrag mit 1.125,00 Mk.

Es gelangen Statut gemäß halbjährig zur Erhebung

1. Von jeden angefangenen Tausend Mark des Brandkassen-Umlagekapitals der Gebäude 0,25 Mk.
2. Für jede Person 0,75 Mk.
3. Für jedes Pferd außer Saugfohlen 1,00 Mk.
4. Für jedes Stück Rindvieh außer Saugkälbern 1,00 Mk.
5. Für jedes Schwein außer Saugferkeln 0,30 Mk.
6. Für jede Ziege außer Sauglämmern 0,30 Mk.
7. Gastwirtschaften usw. jährlich 15,00-25,00 Mk.
8. Von Dampfdrescherei vom Tage zu 12 Std. gerechnet die Pferdekraft zu je 0,10 Mk.
9. Von Neubauten und Ausbesserungen von jeden vollen Tausend Mark der gesamten Baukosten 2,00 Mk.

Nach der Fertigstellung aller Arbeiten stellte die Gemeinde einen Hydrantenwärter ein. Dieser war dafür verantwortlich, dass die Hydranten stets funktionsfähig waren, damit die Feuerwehr im Falle eines Brandes sofort die Schläuche anschließen konnte. Der erste Hydrantenwärter war Schmiedemeister August Engelhardt. Für die Dorfjugend war es jedes Mal ein besonderes Ereignis, wenn „der Wassermann“ durch das Dorf ging, zur Kontrolle die Hydranten öffnete, und das Wasser die Straße überflutete.

Eine Milliarde Rentenmark Wassergeld für ein Pferd

Die Höhe des Wassergeldes wurde jährlich den anfallenden Kosten angepasst, so dass die Wasserversorgung für die Gemeinde keine finanzielle Belastung war.

Der Verfall der Währung nach dem 1. Weltkrieg zwang die Gemeindebehörden zu Preiserhöhungen, die uns heute geradezu skurril erscheinen. Während man im Dezember 1921 die Gebühr noch um 50% heraufsetzte, beschloss man am Höhepunkt der Inflation im Oktober 1923 „die Wassersteuer für das II. Halbjahr 1923 um das Milliardenfache zu erhöhen“, so der Wortlaut. Das heißt, musste ein Bauer vor dem 1. Weltkrieg für ein Pferd oder eine Kuh halbjährlich eine Mark Wassergeld zahlen, so waren es nun 1 Milliarde Mark (in Ziffern 1.000.000.000 Mark). Die dringend erforderliche Währungsreform führte im Jahre 1924 wieder zu normalen Verhältnissen.

Der Bach wird kanalisiert

Dass man einmal gegen eine Wasserleitung war, konnte sich im Dorf keiner mehr vorstellen. Die Trockene Mülmisch, die über viele Jahrhunderte die Einwohner mit Wasser versorgt hatte, war jetzt vielen ein Ärgernis, besonders bei Regenwetter und in Zeiten der Schneeschmelze, wenn der Bach viel Wasser führte oder gar über die Ufer trat. Obwohl die Gemeinde finanziell sehr belastet war, beschlossen die zuständigen Gremien im Jahre 1928, den Bachlauf zu kanalisieren. Die Kreisverwaltung hatte einen Zuschuss von 5.000 Mark in Aussicht gestellt. Im Jahre 1929 begann die Weltwirtschaftskrise. Es mangelte den Bauunternehmen an Aufträgen. Deshalb reichten gleich sechs Firmen Angebote bei der Gemeindeverwaltung ein.

Die Gemeindeverordneten beschlossen am 22. April 1929, den Auftrag in Höhe von 24. 148 Mark an den Körler Unternehmer Konrad Emmeluth zu vergeben. Seit 1929 wird die Trockene Mülmisch über eine längere Strecke nun unterirdisch durch das Dorf geleitet.

Der Wasserverbrauch steigt

In den Zwanziger Jahren zog nach und nach die Moderne in das Dorf ein, nicht nur dass die Haushalte mit Strom versorgt wurden, und die ersten „Rundfunkempfangsgeräte“ für Begeisterung sorgten, die Neubauten erhielten jetzt Wasserspülungen für die Toiletten. Damit stieg auch der Wasserverbrauch. Der Bürgermeister und Mitglieder der Gemeindevertretung taten sich allerdings noch recht schwer, als im Jahre 1928 der Beschluss herbeigeführt werden sollte, „Eine Wasserspülung im Abort der neuen Schule“ einzubauen.

Im vergangenen Jahrhundert wuchs Körle ständig. Die Wasserleitungen mussten entsprechend verlängert werden. Schon im Jahre 1907 wurde die Leitung am „Oberen Busch“ erweitert. Es folgten kurz danach der „Neue Weg“, und im Jahre 1932 die Verlängerung „Auf dem Stein“. Im Herbst 1933 beschloss die Gemeindevertretung, eine Leitung bis zum Basaltwerk zu legen.

Der steigende Verbrauch führte in Trockenzeiten schon bald zu Wasserknappheit. Im Juni 1936 sah sich der Bürgermeister zu folgender Bekanntmachung veranlasst:

„Bei einem nächtlichen Rundgang durch den hiesigen Ort ist festgestellt worden, dass Milchlieferanten die Milch unter der ständig offen stehenden Zapfstelle der Wasserleitung stehen haben. Solchen Anforderungen des Wasserverbrauchs hält die beste Wasserleitung nicht stand. Das Kühlen der Milch in einem mit frischen Wasser gefüllten Behälter dürfte genügen.

Es wird daher erwartet, dass in Zukunft bei trockener Witterung mit dem Leitungswasser mehr hausgehalten wird. Dieses gilt auch für die Besitzer von Gartenschläuchen. Nichtbeachtung dieser Verwarnung wird bestraft.“

Im Jahre 1937 diskutierte die Gemeindevertretung über die Frage, ob es möglich sei, durch die Anlage einer Pumpstation mehr Wasser zum Hochbehälter zu leiten, um der Wasserknappheit vorzubeugen.

Das Wasser wird knapp

Im September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Die Einwohnerzahl des Dorfes vergrößerte sich in kurzer Zeit unvorhersehbar schnell; wenn auch anfangs nur vorübergehend. In den ersten Kriegstagen mussten 240 Bewohner des Mosellandes im Dorf aufgenommen werden. Die Bevölkerung dieses Gebietes war für einige Monate zwangsweise von der Grenze in das Innere Deutschland’s umgesiedelt worden. Im Sommer 1940 konnten die Menschen wieder in ihre Heimatorte zurückkehren. Im März 1940 gab es im Dorf zusätzlich die Einquartierung von 350 Soldaten. Diese blieben bis zum 10. Mai, dem Tag des Beginns des deutschen Angriffs an der Westfront. Je länger der Krieg dauerte umso mehr Menschen suchten Zuflucht im Dorf. Anfangs waren es so genannte Evakuierte, zumeist Frauen und Kinder, die aus dem Bombenhagel der Städte freiwillig oder auch zwangsweise in die weniger von Luftangriffen bedrohten Gebiete umgesiedelt wurden. Besonders stark war der Zustrom nach dem verheerenden Luftangriff auf Kassel am 22. Oktober 1943. Es kamen auch Menschen, die im Osten vor den heranrückenden Sowjetsoldaten geflohen waren, und schließlich trafen im November 1944 wieder Zwangsumsiedler aus dem Saarland im Dorfe ein. Die Saarländer konnten nach Kriegsende wieder in ihre Heimat zurück. Anders erging es den Menschen in den ehemals deutschen Ostgebieten, die vor allem in den Jahren 1945 und 1946 mit zum Teil brutaler Gewalt und unter entwürdigenden Umständen aus ihrer angestammten Heimat vertrieben wurden.

In Körle war die Einwohnerzahl von 1200 im Jahre 1939 auf 1700 im Jahre 1946 angewachsen. Vor dem Krieg schon war die Wasserversorgung in der Gemeinde nicht optimal, jetzt hatte vor allem in den Sommermonaten das Dorf einen Wassernotstand.

Getreide für Wasserleitungsrohre

Im Februar 1946 beschloss die Gemeindevertretung auf Vorschlag von Bürgermeister Karl Knaust , Rohre für eine zweite Wasserleitung von den Quellen bis zum Hochbehälter zu kaufen, und die Planung für die Erweiterung des Hochbehälters in Auftrag zu geben. Im Jahre 1906 waren Rohre mit einem Durchmesser von 60 mm verlegt worden. Das reichte damals aus. Die neue Leitung sollte einen Durchmesser von 100 mm haben. Man kann sich heute nicht vorstellen, welch unbeschreiblicher Mangel im Krieg und besonders in den Nachkriegsjahren bis zur Währungsreform in 1948 herrschte. Anfragen des Bürgermeisters bei Rohrlieferanten wurden höflich, jedoch negativ beschieden. Es fehle an Rohmaterial, war überall zu hören. So blieb als Sofortmaßnahme vorerst nur, die Leitungen im Dorf auf undichte Stellen untersuchen und reparieren zu lassen. Der Notstand zwang die Gemeinde zu einem illegalen aber damals üblichen Verfahren. Man wurde mit einem Lieferanten einig, die Rohre nicht nur mit Geld zu bezahlen, sondern im Austausch gegen 50 Zentner Roggen und Weizen zu beziehen. Der damalige Ortslandwirt Heinrich Klipp hatte es fertig gebracht, trotz der herrschenden Zwangsbewirtschaftung das Getreide von Landwirten im Dorf zu organisieren, wie man damals sagte. Die Arbeiten für die Rohrverlegung konnten nach diesem Tauschgeschäft in 1947 begonnen werden. Zum Ausheben der Gräben griff die Gemeinde zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Am 10. Mai 1947 beschloss die Gemeindevertretung: „Alle männlichen Personen vom 14. bis zum 65. Lebensjahr, die polizeilich in Körle gemeldet und arbeitsfähig sind, werden für die anfallenden Erdarbeiten beim Erweiterungsbau der Wasserleitung anteilmäßig erfasst. Nichtbefolgungen wird die Gemeindeverwaltung mit allen zu Gebote stehenden Mitteln entgegentreten“. Das heißt, jede der erfassten männlichen Personen musste im Sommer 1947 vier Meter Graben mit seinen eigenen Werkzeugen ausheben. Abgesehen von einigen „Scheinkranken“ zeigten sich alle Betroffenen einsichtig und folgten dem Aufruf.

Um stets genügend Wasser zur Verfügung zu haben, wurde in der Bachwiese eine weitere Quelle gefasst. Die Erweiterung des Hochbehälters am Busch verzögerte sich noch.

Im Januar 1949 bot die Hessische Brandversicherung an, für den Ausbau des Hochbehälters einen Zuschuss zu geben. Als im Juli des gleichen Jahres der Bewilligungsbescheid über 6.500 DM eintraf, konnte man der Firma Ludwig Pfeiffer aus Kassel den Auftrag für eine dritte Kammer erteilen. Verbunden war dieser Auftrag mit der Auflage, „möglichst viele Körler Arbeitslose zu beschäftigen“.

Die Firma Pfeiffer wurde auch in den Folgejahren zu den notwendigen Arbeiten für die Erweiterung und Sicherung der Wasserversorgung herangezogen.